Redebeiträge

Ich bin’s die Steinkohle

…auf einem der jährlich ca.150 Massengutfrachter, bin ich tausende Kilometer völlig gefahrenfrei über das Meer geschifft worden. Im Hamburger Kohle- und Erzhafen angekommen wurde ich von gigantischen Greiferbrücken auf riesige Kohleberge aufgetürmt. Neben mir gelangen auf diesem Weg jährlich weitere 17 Millionen Tonnen Steinkohle & Eisenerz in den Hamburger Hafen. Einige Kohlefrachter fahren ein paar hundert Meter weiter, wo wir direkt im Kohlekraftwerk Moorburg verbrannt werden.

Die Steinkohle, die im Hamburger Kohlehafen landet wird nahezu vollautomatisiert von Schaufelradbaggern auf Förderbänder geladen und zur Beladestation der Rangierloks beför- dert. Der Umschlag ist inzwischen so weit automatisiert, dass nur 110 Angestellte beschäftigt werden müssen. Über Binnenschiffe und die Eisenbahn werden wir in Kraft- und Stahlwerke weitertransportiert. Die Kohle- und Eisenerze werden anschließend entweder in einem der Kraftwerke der Energieriesen Vattenfall und E.On oder dem Automobilkonzern Volkswagen verfeuert oder bei der Salzgitter-AG für die Produktion von Stahlrohren für die großen europäischen Gas-Pipeline Projekte (Trans Adriatic Pipeline, Nordstream 1 & 2) oder von Autoteilen der Marken Volkswagen und BMW eingesetzt.

Ich bin ein Stück Steinkohle. Ich lag hunderte Millionen Jahre tief in der Erde vergraben bevor Menschen auf die Idee kamen mich aus hunderte Meter tiefen Erdschichten rauszubaggern und dabei ganze Ökosysteme zu zerstören. Eigentlich gibt es Steinkohle auch in Deutschland, allerdings schließen hier dieses Jahr die letzten Steinkohlezechen. Der Import und die Verstromung von Steinkohle in Deutschland laufen aber ungestört weiter.

Die umweltzerstörenden und gesundheitsschädlichen Folgen des Bergbaus werden dabei einfach komplett nach u.a. Südafrika, Kolumbien, Russland, USA ausgelagert. Allein in Kolumbien wurden in den letzten Jahren über 60.000 Menschen vertrieben und ca. 3.000 ermordet, die dem blutigen Geschäft der Steinkohle im Weg standen. Dieses Jahr im Mai sind erst wieder 23 Arbeiter in Pakistan und zwei in Polen in Steinkohleminen verunglückt.

Seit über 500 Jahren profitieren reiche westliche Industrienationen und -konzerne jetzt schon von diesen Zuständen: Sie beuten die Ressourcen und Arbeitskräfte überwiegend ehemaliger Kolonialländer systematisch aus, verschärfen dadurch vielfältige soziale und ökologische Krisen und heizen zusätzlich den Klimawandel an. Die Regionen, die mit dem Klimawandel am stärksten zu kämpfen haben werden dadurch noch anfälliger für die heute schon spürbaren katastrophalen Folgen.

Ich bin eines der glücklichen Kohlestücke, das bei der antikapitalistischen Aktionsrallye „Harbour Games“ in Hamburg am 23.6.2018 aus dem Kohlehafen befreit wurde.

Nimm mich mit nach Hause, erinnere dich Tag für Tag an meine Geschichte und hilf mit das Geschäft mit der Kohle Geschichte werden zu lassen!